Erinnerungssplitter.

An einem Samstag im August (Two For The Road).

"It takes one for the running,
 but two for the road."

(-Bruce Springsteen, "Two for the road")

"Mach mal das Fenster runter," sagst Du mit einem Seitenblick, "es ist viel zu warm." Dankbar tu ich wie mir geheißen; es ist tatsächlich viel zu warm an diesem Samstag im August.
Es ist dieser Wahnsinnsaugust 1999, der Sommer bäumt sich ein letztes Mal auf, als wolle er dem anstehenden Jahrtausendwechsel zeigen, dass es in den ausgehenden Neunziger Jahren nicht nur Regen und Nebel gab. Als gäbe es etwas zu beweisen.

Wir spüren eine leicht unangenehme Leere in der Magengegend, verschieben den Stop bei McDonald's aber. Wir haben keine Zeit, wir müssen Kilometer machen. Es geht uns einfach viel zu gut, um anzuhalten.
Der Wind spielt in Deinem lockigen Haar und ich schaue verlegen nach links. Ich habe Angst, Du würdest meinen verstohlenen Blick bemerken. doch falls dies der Fall sein sollte, lässt Du Dir hinter Deiner großen Sonnenbrille nichts anmerken.

"Kannst Du uns vielleicht noch eine Kassette aufnehmen, bevor wir morgen losfahren?" - das war es, was Du mich am Abend zuvor fragtest. Klar konnte ich das. Ich kann und konnte nie viel, aber Mixtapes zusammenstellen war dennoch immer irgendwie Leidenschaft und Stärke zugleich.

Das Autoradio nimmt mein Tape gierig auf und gibt es anstandslos wieder. Die Fenster sind runtergekurbelt und Dein Haar weht noch immer im Wind. Der Asphalt jagt unter den Rädern Deines gebraucht gekauften Golf II hinweg, wir sind auf dem Weg nach Braunschweig. Nichts besonderes, nichts geplant, sich einfach einen schönen Tag machen und ein wenig Geld über den Äther jagen. Westerland erklingt aus den mittelmäßigen Autoboxen und ich spiele mit Leidenschaft die Drumfill mit meinen Händen auf meinen Oberschenkeln mit, so wie ich es seit jeher immer tat. Du musst lächeln, ich sehe es aus dem Augenwinkel und werde rot. Dein Lächeln wird zu einem eher gutgemeinten als böswilligen Grinsen. Du hast es schon immer gemocht, wenn ich erröte. Ich hingegen nie.
So war das damals, an diesem Samstag im August, auf der Fahrt nach Braunschweig. Das ist nun 19 Jahre her, ich hatte mir damals nicht viel mehr gekauft als eine CD von Daily Terror und ein Notting Hill-Poster. Der erste Film, in dem wir gemeinsam waren.
Es war ein anderes Jahrtausend, eine andere Zeit, in der wir mit anderem Geld bezahlten. Manchmal fühlt es sich an wie ein anderes Leben: Unwirklich, abstrakt, bizarr; etwas, das man von außen durch blinde Scheiben beobachtet. Und dann wieder, zwischendurch und ganz kurz, fühlt es sich wahr an, lebendig und tatsächlich.

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